Im Rahmen unseres Geschichtsunterrichts hatten wir die besondere Gelegenheit, an einem Zeitzeugengespräch mit Wolfgang Geffe teilzunehmen. Das Interview wurde von Jette, Hedi, Mirell und Helene aus der 10/4 eigenständig vorbereitet und durchgeführt. Das Gespräch entstand im Rahmen der Auseinandersetzung mit den Chancen und Grenzen der Jugendopposition in der DDR.

Zu Beginn stellte die Gruppe Herrn Geffe kurz vor, bevor sie mit einer Reihe vorbereiteter Fragen in das eigentliche Interview starteten. Es war ein eindrucksvoller und bewegender Einblick in das Leben in der DDR und in den Widerstand eines Einzelnen.

Wolfgang Geffe wurde 1961 in Apolda geboren. In seiner Kindheit hatte er, wie viele andere auch, kaum oder gar keine bewussten politischen Auseinandersetzungen. Der Umgang mit dem sozialistischen System war selbstverständlich – man lebte einfach „mit“. Erst in seiner Jugend wurde ihm zunehmend bewusst, wie stark das Leben durch politische Vorgaben geprägt war. In der Schule und in der Freizeit spielte die Mitgliedschaft bei den Pionieren und in der FDJ eine große Rolle. Es ging dabei vor allem um die Erziehung zu einer „sozialistischen Persönlichkeit“. Jede*r war Teil dieser Organisationen – wer nicht mitmachte, fiel auf. Die Strukturen waren starr, Abweichung wurde nicht geduldet, Zweifel nicht gefördert.

Die Erziehung in der DDR war stark ideologisch. Die FDJ vermittelte klare Werte und Vorstellungen – wer sie nicht teilte, geriet schnell unter Druck. Geffe erzählte, dass es zwar keine offene Gewalt gab, aber einen subtilen Zwang: Wer nicht mitmachte, bekam etwa keinen Studienplatz oder wurde gesellschaftlich benachteiligt. Die Vermittlung von Idealen hatte oft wenig mit der Realität zu tun, was bei vielen Jugendlichen zu inneren Spannungen führte – besonders wenn man durch Medien oder westliche Einflüsse erkannte, dass es auch andere Perspektiven gab.

Ein wichtiger Wendepunkt in Wolfgang Geffes Leben war seine Entscheidung, den Wehrdienst mit der Waffe zu verweigern und stattdessen als Bausoldat in Prora zu dienen. In der DDR war das möglich, aber gesellschaftlich stark negativ besetzt. Diese Entscheidung bedeutete Ausgrenzung, Überwachung und Benachteiligung – zum Beispiel bei beruflichen Perspektiven. Der Staat verweigerte ihm das Studium der Meeresbiologie. Dennoch betonte er: „Ich bereue nichts!“ Die Zeit als Bausoldat habe ihn stark geprägt. Besonders durch die Kontakte in kirchlichen Kreisen entdeckte er neue Denkräume, Freiheit im Denken und eine Gemeinschaft, die ihn stärkte.

Ab etwa 1987 engagierte sich Geffe zunehmend kritisch gegenüber dem DDR-Regime. Er sprach öffentlich Missstände an – Themen wie Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Umwelt begleiteten fortan sein Handeln. Er beteiligte sich an Demonstrationen, kirchlichen Treffen und kleinen Widerstandsaktionen wie Flugblattverteilungen und Friedensveranstaltungen.

Dabei spielte die Kirche stets eine zentrale Rolle. Sie war ein Schutzraum, in dem offenes Denken möglich war – aber auch ein Ort, an dem sich Widerstand organisierte. Viele junge Menschen fanden dort Unterstützung und Mut, gegen die Normen des Systems aufzustehen.

Geffe selbst organisierte mit seiner Frau wöchentliche konspirative Treffen in der eigenen Wohnung in Altenburg, wo er eine Ausbildung zum Sozialdiakon absolviert hatte.

Flucht war für ihn und seine Frau nie ein Thema, auch wenn viele Freunde die Ausreise beantragten und in den Westen flüchteten. Sie wollten „hierbleiben und etwas bewegen“. Dabei betonte Wolfang Geffe immer wieder, dass ihre Gruppe mit gewaltfreien Mitteln versuchte die Diktatur zum Einsturz zu bringen.

Da er und seine Friedensgruppe als Beobachter an der Kommunalwahl im Mai 1989 teilnahmen, konnten sie Wahlmanipulation seitens des Regimes feststellen.

Richtungsweisender Weg für die anstehende Veränderung war für ihn die Teilnahme an der friedlichen Demonstration am 8. Oktober 1989 in Leipzig. Dort spürte er, „dass sich etwas verändern wird“. Was genau vermochte er zu diesem Zeitpunkt nicht zu sagen. Dass gerade einmal einen Monat später die Mauer fiel und das Ende der DDR folgte, hatte Geffe in Leipzig nicht geahnt.

Nach dem offiziellen Interview durften auch wir, die restlichen Schüler*innen der 10/3 und 10/4, Fragen stellen. Viele interessierten sich für seine persönliche Motivation, den Mut zum Widerspruch und seine heutige Sicht auf die Ereignisse. Das Gespräch mit Wolfgang Geffe hat uns gezeigt, dass es viele Formen des Widerstands gibt. Man muss nicht laut sein, um etwas zu bewirken. Gerade in einem System wie der DDR konnte schon die Entscheidung, „nicht mitzumachen“, ein mutiger Akt sein. Geffe hat mit seiner Haltung und seinem Engagement gezeigt, dass Freiheit und Verantwortung immer zusammengehören. Bis heute prägen den Zeitzeugen die Ereignisse des Widerstands gegen die DDR – Einsatz für Menschenrecht und gewaltfreie Mittel der Konfliktbearbeitung spielen auch in seinen aktuellen Tätigkeiten eine große Rolle.

Für uns war dieses Zeitzeugengespräch eine eindrucksvolle Erinnerung daran, wie wichtig es ist, für das einzustehen, woran man glaubt. Wir danken Wolfgang Geffe vielmals für sein Kommen und dem Teilen seiner Erinnerung. Ein ebenso großer Dank gilt Jette, Hedi, Mirell und Helene für die Organisation und Durchführung des Zeitzeugengespräches.

Den Kontakt hat die Gruppe über das https://www.zeitzeugenbuero.de hergestellt.

Text: Marlene, Lieselotte und Lilli (10/4)

Fotos: Fiona, Marlene, Jonas Apel